Gredbuch von Steinach: Wirtschaftliche Ausrichtung des Appenzellerlands auf den Bodensee (1477/78)

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Einleitung
Gredbuch von Steinach: Wirtschaftliche Ausrichtung des Appenzellerlands auf den Bodensee (1477/78)
StadtASG, Bd. 451, fol. 1r und 22v.
Druck: Hans Conrad Peyer, Leinwandgewerbe und Fernhandel der Stadt St.Gallen von den Anfängen bis 1520, Band 1, St.Gallen 1959, S. 242ff.

Durch das Ausgreifen der wachsenden Eidgenossenschaft auf die Ostschweiz distanzierten sich Reich und die Eidgenossenschaft entlang von See und Rhein immer mehr. Dies änderte aber nichts daran, dass die wichtigsten wirtschaftlichen Beziehungen der Nordostschweiz – und damit auch des Appenzellerlandes – weiterhin über den Bodensee ins Reich liefen. Nicht nur das voralpine, im Mittelalter auf Viehwirtschaft und seit dem 17. Jahrhundert auf Textilverarbeitung spezialisierte Appenzellerland, sondern auch die ganze Nordostschweiz waren noch bis ins 19. Jahrhundert wirtschaftlich stark auf die Länder und Städte jenseits des Bodensees ausgerichtet. Das hängt mit der unterschiedlichen wirtschaftlichen Struktur dies- und jenseits des Bodensees zusammen. Zwischen Süddeutschland und der Eidgenossenschaft bestand ein reger Austausch: Schwaben versorgte die heutige Ostschweiz mit Getreide, und umgekehrt gelangte dadurch Geld aus der Eidgenossenschaft an das Nordufer des Bodensees. Beide Regionen waren aufeinander angewiesen, sie bildeten gewissermassen einen zusammenhängenden «Wirtschaftsraum Bodensee». Aber nicht erst in der Neuzeit, sondern bereits im Mittelalter spielte der Gütertausch über den See eine wichtige Rolle. Dies lässt sich beispielsweise mit Listen von Importzöllen aus den 1470er-Jahren und anhand von Karten zeigen.


Hinweise zur Transkription
Lösen Sie die Kürzungen grundsätzlich auf («Item», «dedit», «schwer» etc.), ausser bei Währungen («d» und «ß»). Transkribieren Sie u/v nach dem Lautwert und passen Sie i und j dem heutigen Gebrauch an («item» statt «jtem»). Beachten Sie, dass Distinktionszeichen über dem u, welche der Unterscheidung vom Buchstaben n dienen, weggelassen werden. Zeichen über dem u, die nach heutigem Lautwert ein ü meinen, werden hingegen als solche ergänzt. Römische Zahlen werden in dieser Schreibweise wiedergegeben, arabische als arabische. Fügen Sie über der Zeile stehende Vokale hinter dem darunter stehenden Vokal ein. Fügen Sie Nachträge über der Zeile am jeweiligen Ort ein. Transkribieren Sie auch gestrichene Zeilen.


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Resultat
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Die Transkription lautet:
Diß geschrifft wyst usß, wie alle ding
sollen verzollet werden.
Item ain schwerer sak gibt II d.
Item ain ringger sak I d.
Item ain schib saltz I d.
Item ain kroettli saltz II d.
Item ain zentner kupffer und zin III d.
Item Nueremberger war, kromery ain zentner II d.
Erörterung:
Gredbuch von Steinach: Wirtschaftliche Ausrichtung des Appenzellerlands auf den Bodensee (1477/78)
Das wichtigste Transportgut über den Bodensee war Getreide. Den bereits im Spätmittelalter regelmässigen Import dokumentieren Zollzahlungen für Getreide, welches aus Überlingen, Radolfzell, Friedrichshafen und Langenargen ins Gredhaus (Lager- und Zollhaus) nach Steinach gelangte. St. Gallen war Mitte des 15. Jahrhunderts in den Besitz der Gerichtsherrschaft Steinach mit Hafen gelangt; 1473 wurde dort ein Gredhaus gebaut zur Lagerung der Güter, die über den See gehandelt wurden. Dieses imposante Gebäude steht heute noch. Steinach war damit das Tor der Stadt St.Gallen nach «Übersee»; das Pendant des Klosters St.Gallen dazu war der Hafen von Rorschach. Über beide Importhäfen wurde auch ein Teil der appenzellischen Versorgung sichergestellt.
Auf der ersten Seite des erhaltenen Gredbuches sind die Zolltarife für die verschiedenen Waren festgehalten. An erster und zweiter Stelle sind die Tarife für Getreide erwähnt. Für einen schweren Sack wurden zwei Denare erhoben, für einen leichteren Sack ein Denar. Die Erwähnung von Nürnberger Ware im zweitletzten Eintrag weist auf die hohe Bedeutung dieser grossen Stadt für den Handel mit der Ostschweiz hin: Nürnberg war seit dem 14. Jahrhundert eine wichtige Schaltstelle für den St.Galler Textilhandel weiter nach Osten.

Erklärungen
item: ebenso (lat.)
d: Denar bzw. Pfennig, 12 Pfennige ergaben 1 Schilling
ringger: leichter
schib: Gefäss für Salz
kroettli: tiefer, bauchiger Korb
stupk: Packfass für Salz
laegel: längliches Fass zum Weintransport
stachel: Stahl
ball: Warenballen, Gebinde, zusammengebundene Ware
ß: Schilling
kromery: Krämerware, evtl. auch Zuckerbackware
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Die Transkription lautet:
Uff frytag nach sant Niclas tag von Überlingen.
Dedit. Item Ebnetter 28 schwer, 1 lichten IIII ß VIIII d.
Dedit. Item Maier 27 schwer III ß VI d.
Dedit. Item jung Stoltz 20 schwer, 10 licht IIII ß II d.
Dedit. Item Lainbueler 18 schwer III ß d.
Dedit. Item Sutter 7 schwer I ß II d.
Dedit. Item Burkart Gebhart 19 schwer, 3 licht III ß V d.
Dedit. Item Kucherly 17 schwer II ß X d.
Item Schaer von Herisow 6 schwer, 2 licht.
Erörterung:
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Das Gredbuch vermittelt einen punktuellen Eindruck des über den See getätigten Warenverkehrs. Die abgebildete Seite hält die nach Steinach importierten Waren aus Überlingen am Freitag nach dem Nikolaustag fest. Weitaus am häufigsten wurde Getreide eingeführt. Die Einträge halten die Namen der Zollpflichtigen sowie die Art der Waren sowie rechts aussen die dafür bezahlten Zölle fest. Das «dt» am linken Rand ist die Abkürzung für lateinisch «dedit», auf deutsch «gab». Damit wird festgehalten, dass der Pflichtige die erhobenen Zölle tatsächlich bezahlt hatte.
In der unteren Hälfte des Textes ist ein Appenzeller Importeur zu erkennen, ein Mann namens Schär aus Herisau.

Erklärungen
dedit: hat gegeben (lat.)
item: ebenso (lat.)
licht: leicht
ß: Schilling, 1 Schilling entsprach 0,05 Pfund (lb) bzw. 12 Pfennigen
d: Denar bzw. Pfennig, 12 Pfennige ergaben 1 Schilling
baelli: kleiner Ballen
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