Highlights aus den Beständen

Wir laden Sie ein, einige unserer prominentesten Urkunden, Handschriften und andere Schriftstücke selbst zu erforschen. Lesen Sie die Infotexte, betrachten Sie die Dokumente und zoomen Sie in sie hinein, um einen detaillierten Blick zu erhalten. Die Sammlung wird immer wieder mit neuen Highlights ergänzt – regelmässiges Besuchen lohnt sich.

Stadtrecht 1291 – Erste Freiheiten vom Kloster

Stadtrecht 1291 – Erste Freiheiten vom Kloster
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Stadtrecht: StadtASG, Tr. IV A, 2a.

Bis Mitte des 15. Jahrhunderts war die Stadt St. Gallen herrschaftlich vom Kloster abhängig. Im Laufe des 13., 14. und 15. Jahrhunderts unternahm sie allerdings immer wieder Schritte, welche zu einer Eigenständigkeit in rechtlicher Hinsicht führten. Je mehr sich die Stadt institutionell organisierte, desto mehr lag ihr daran, ihre Eigeninitiative auch auf rechtlicher Ebene abzusichern. Sie trat also an den Abt bzw. das Kloster heran, um Freiheiten gegenüber ihrer Herrschaft zu erreichen. In der Urkunde von 1291 werden der Stadt von der äbtischen Herrschaft verschiedene Rechte eingeräumt. Dazu gehört zum Beispiel die Nutzung von Liegenschaften im Gebiet der Stadt: Die Güter waren zwar nach wie vor äbtische Lehen, die städtischen Leheninhaber hatten aber grosse Verfügungsgewalt über sie, indem sie sie weitgehend frei verkaufen, vererben oder verpfänden durften. Erstmals wurde 1291 auch schriftlich festgehalten, dass in der Stadt und ihrer näheren Umgebung („innerhalb der vier Kreuze“, das heisst innerhalb des städtischen Hoheitsgebietes von rund 2,5 auf 1,5 Kilometern) ein anderes Recht galt als im Kloster.

Die Handfeste von 1291 ist damit grundsätzlich Ausdruck eines guten Verhältnisses zwischen Kloster und Stadt. Das Kloster verlieh der Stadt ein erstes Stadtrecht, in welchem es der demographisch wachsenden und wirtschaftlich bedeutender werdenden Kommune rechtliche Zugeständnisse machte.

Städtebund 1312 – Anfänge städtischer Aussenpolitik

Städtebund 1312 – Anfänge städtischer Aussenpolitik
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Urkunde: StadtASG, Tr. XIX, 1.

St. Gallen hatte im Spätmittelalter ungefähr 3’000 bis 4’000 Einwohner und war gemessen an damaligen Massstäben eine mittelgrosse Stadt. Grosse Städte, von denen es in der Schweiz nur zwei, nämlich Basel und Genf, gab, hatten 10‘000 und mehr Einwohner. Bevölkerungsmässig im Mittelfeld wie viele andere süddeutsche und eidgenössische Städte, aber ohne nennenswertes Territorium, war der Stadt St. Gallen schon früh bewusst, dass für ihre Entwicklung und Unabhängigkeit Bündnisse mit anderen Städten elementar waren. Einen ersten, auf vier Jahre befristeten Bund mit anderen Städten schloss die Stadt St. Gallen am 24. Mai 1312 mit Konstanz, Zürich und Schaffhausen. Dieses Bündnis bezweckte die Sicherung der Rechtsordnung und des Landfriedens sowie die gegenseitige Hilfe in Konflikten. Weitere Bündnisse folgten; das 14. Jahrhundert sollte sich zum Jahrhundert der Städtebünde entwickeln. Die häufigsten und engsten Beziehungen knüpfte die Stadt St. Gallen mit schwäbischen und oberdeutschen Städten, mit denen sie auch wirtschaftlich durch den Textilexport eng verbunden war. Solche Städtebundsurkunden symbolisieren deutlich den Emanzipationsprozess der Stadt gegenüber dem Stift: Sie wurde als eigene Rechtspersönlichkeit aktiv und ging eigenständig Aussenbeziehungen ein.

Die Urkunde von 1312 ist für die Stadt aber nicht nur als erste Überlieferung eines Städtebundes wichtig. Hier ist nämlich zum ersten Mal die wichtigste städtische Behörde, der Rat, namentlich erwähnt. Ein Rat muss jedoch schon vorher existiert haben: An einer Urkunde von 1294 findet sich nämlich das älteste stadtsanktgallische Siegel, das dem Rat zur Beglaubigung von Urkunden im Namen der städtischen Gemeinschaft diente. Sowohl das älteste Ratssiegel als auch die Nennung des Rates 1312 unterstreichen den Prozess zur Eigenständigkeit, in welchem sich die Stadt damals befand.

Wappenbesserung 1475 – Gold für den Sanktgaller Bären

Wappenbesserung 1475 – Gold für den Sanktgaller Bären
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Wappenbesserung: StadtASG, Tr. II, 38a.

Nachdem die Stadt St. Gallen im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts immer mehr Freiheiten von ihrer Herrschaft, dem Kloster St. Gallen, erwirken konnte, gelang ihr im Jahr 1475 die juristische Loslösung. Von diesem Zeitpunkt an existierten allmählich zwei „Staaten“ nebeneinander, deren vollständige Trennung 1566 abgeschlossen sein sollte: die territorial kleine, aber wirtschaftlich immer erfolgreicher werdende Reichsstadt und das Kloster mit einem grossen Territorium. Die Stadt reagierte darauf mit grossem Selbstbewusstsein, das sie in den 1470er-Jahren auch visuell zum Ausdruck brachte: Stadtsanktgaller waren nämlich im Vorfeld des Burgunderkrieges an verschiedenen Feldzügen beteiligt. Unter anderem kämpften sie im Auftrag von Kaiser Friedrich gegen den Herzog Karl von Burgund. Als Dank für die Beteiligung an einem Feldzug verlieh der Kaiser der Stadt St. Gallen das Recht, ihr Wappen zu „bessern“. Die Veränderung bestand darin, dass der Stadtsanktgaller Bär ein goldenes Halsband tragen durfte. Dies war ein Distinktionszeichen, auf das die Stadt besonders stolz war: Schliesslich unterschied sich der Stadtbär fortan viel deutlicher vom äbtischen und vom appenzellischen Bären, die kein goldenes Halsband tragen durften.

Rorschacher Vertrag 1566 – Die Mauer zwischen Kloster und Stadt

Rorschacher Vertrag 1566 – Die Mauer zwischen Kloster und Stadt
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Rorschacher Vertrag: StadtASG, Tr. XI, 83.

Nach dem Tod von Abt Diethelm Blarer von Wartensee (1530-1564) im Jahr 1564 wurde Otmar Kunz zu seinem Nachfolger gewählt. Im folgenden Herbst sollte seine Benediktion (Einsegnung) stattfinden. Als Termin wurde der 16. Oktober 1565 gewählt; ein Datum, das für die Stadtsanktgaller grosse Bedeutung hatte. An diesem Tag, dem so genannten Gallustag, fand nämlich ein Herbstjahrmarkt statt, der stets viele Besucherinnen und Besucher auch von ausserhalb der Stadt anzog. Der Stadtrat befürchtete den Ausbruch von Unruhen, schliesslich war die Reformation noch nicht allzu lange vorbei und die Beziehung zwischen Kloster und Stadt seit einiger Zeit angespannt. Der Stadtrat sagte daraufhin nicht nur den Jahrmarkt ab, sondern untersagte auch seinen Bürgern den Besuch der Feier im Kloster und liess die Stadttore bereits am Tag vor der geplanten Benediktion schärfer bewachen als üblich. Dies erschwerte die Situation für den neuen Abt, denn in der Ringmauer, welche Kloster und Stadt umschloss, hatte er kein eigenes Tor, das direkt in sein Territorium führte. Er reichte daraufhin bei der Tagsatzung ein Gesuch für ein eigenes Tor ein. In der Folge wurde ein Schiedsgericht bestimmt, welches im so genannten Rorschacher Vertrag dem Wunsch des Abtes stattgab, entgegen dem Willen der Stadt: Der Abt sollte ein eigenes Tor samt Brücke über den Stadtgraben und mit Verbindung zur nächsten Strasse ins fürstäbtische Territorium erhalten.

Kurze Zeit später wurde ein weiterer Vertrag zwischen Kloster und Stadt aufgesetzt: der so genannte Wiler Vertrag von 1566. Mit diesem wurde das Verhältnis zwischen Kloster und Stadt längerfristig vereinfacht. So wurde beschlossen, zur äusserlichen Abgrenzung der beiden Hoheitsgebiete eine Schiedmauer zu bauen; zudem sollten beide Parteien alle Verpflichtungen ablösen bzw. freikaufen, welche sie auf dem Gebiet der anderen Partei noch hatten.

Stadtplan von 1596 – gezeichnet von Melchior Frank

Stadtplan von 1596 – gezeichnet von Melchior Frank
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Der so genannte Frank-Plan aus dem Jahr 1596 ist die erste Darstellung, welche die Situation der Stadt und des Klosterbezirks realitätsnah wiedergibt. Die Stadt wird in einer Mischung von Grundriss und Aufriss präsentiert. Die einzelnen Häuser können gut identifiziert werden, unter anderem deshalb, weil die Strassenzüge und Plätze überdimensioniert breit dargestellt sind.

Der Plan hat seinen Namen von seinem Urheber Melchior Frank. Dieser war Goldschmied und während vier Jahren Mitglied des Grossen Rates. Ein Auftrag für die Herstellung des Plans lässt sich zwar nicht nachweisen, nichtsdestotrotz entlöhnte der Rat Frank mit 20 Gulden für seine Arbeit. Der Plan gibt die Stadt als wirtschaftlich, privat und kirchlich genutzten Ort wieder. Ausdruck davon ist die Darstellung von Aktivitäten in den Gassen und auf den Plätzen (als Beispiel sei der Viehmarkt genannt, im Bild rechts oben neben dem mit H bezeichneten Kornhaus), die nicht nur als Staffagen zu bezeichnen sind. Es handelt sich hier um jenen Stadtsanktgaller Plan, der die Stadt am detailgetreusten wiedergibt. Dies unterstreichen die anlässlich der Verlegung des Glasfaserkabelnetzes durchgeführten archäologischen Untersuchungen, welche viele im Plan dargestellte Bauten bestätigten. Offen bleibt die Frage, welchem Zweck der Plan diente. Es ist beispielsweise ungewiss, ob Franks Plan der Öffentlichkeit überhaupt zugänglich war. Die überhöhte Darstellung der wichtigsten städtischen Bauten (Rathaus, Metzg, Kornhaus, Stadtkirche) sowie die Anordnung der Bildlegende, welche vor dem Reichskloster die wichtigsten städtischen Bauten aufführt, verraten aber das starke Selbstbewusstsein des Urhebers, vermutlich auch stellvertretend für das der Bürger: Zur Zeit der Entstehung des Plans befand sich die Stadt in einer wirtschaftlichen Blüte. Kurz zuvor hatte sie sich definitiv herrschaftlich vom Kloster befreit (Wiler Vertrag von 1566). Unter Umständen diente der Plan nebst der Selbstdarstellung auch der städtischen Verwaltung, beispielsweise zur Orientierung beim Einzug der Steuern.

Wappenpyramide 1673 – Reichsstädtischer Stolz zur Schau gestellt

Wappenpyramide 1673 – Reichsstädtischer Stolz zur Schau gestellt
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Wappenpyramide: StadtASG, Bd. 543.

Mit der Urkunde König Sigismunds von 1415, in welcher der Stadt St. Gallen die Hochgerichtsbarkeit sowie das Recht, Münzen zu prägen, übertragen wurden, waren zwei Voraussetzungen erfüllt, St. Gallen als eine reichsunmittelbare Stadt, als eine so genannte Reichsstadt, zu bezeichnen. Unter einer Reichsstadt wird eine Stadt verstanden, die in einem nahen Verhältnis zum König stand und primär ihm statt dem jeweiligen Landesherrn unterstand. Dieses besondere Verhältnis zum obersten weltlichen Herrscher setzte die Stadt prominent ins Bild. Der Status als Reichsstadt war für St. Gallen auch im 17. Jahrhundert noch von Bedeutung. Vorne im 1673 neu verfassten Stadtsatzungsbuch, einer städtischen Gesetzessammlung, wurde eine so genannte Wappenpyramide abgebildet. Hier ist oben der Reichsadler als kaiserliches Symbol sowie auch als Symbol des Reiches zu erkennen. Unten findet sich doppelt das Stadtwappen, der Bär mit dem goldenen Halsband. Zudem wird das kaiserliche Wappen von zwei weiteren Stadtbären gehalten, und über dem Reichsadler findet sich als weiteres kaiserliches bzw. Reichssymbol die Krone. Diese Darstellungsform der Wappenpyramide war damals gängig; beispielsweise wurden auch die Wappen der eidgenössischen Orte doppelt (gegengleich) unter dem Reichsadler als Wappenpyramide gruppiert. In dieser Darstellung spiegelt sich das städtische Selbstbewusstsein: Man widmete sich der eigenen Gesetzgebung und brachte gleichzeitig zum Ausdruck, dass man eine Reichsstadt war.

Weiter finden sich auf dem Bild zwei Putten: die Gerechtigkeit (Justitia) und die Klugheit oder die Wahrheit (Prudentia oder Veritas). Die Putte, welche die Gerechtigkeit darstellt, hat die Augen verbunden als Symbol dafür, dass sie ohne Ansehen der Person richtet; die Waage deutet auf ihre abwägende Seite hin, das Schwert auf ihre strafende, urteilende Aufgabe. Diejenige Putte, welche die Klug- oder die Wahrheit symbolisiert, hält einen Spiegel in der Hand und trägt eine Schlange auf sich. Die Schlange steht für die Klugheit, der Spiegel für die Selbsterkennung. Oben erscheinen die Wappen der damaligen politischen Spitze der Stadt, also von Altbürgermeister Joachim Kunkler, Amtsbürgermeister Hans Joachim Haltmayer und Reichsvogt Othmar Appenzeller mit dem Spruch „Salus populi suprema lex“ („Das Wohl des Volkes ist oberstes Gesetz“). Unten auf der Seite finden sich Namen und Wappen der Spitze der städtischen Administration: des Steuer- und Seckelmeisters Barthlome Schobinger, des Unterbürgermeisters Joachim Morß sowie des Stadtschreibers Hans Jacob Zörnlin.

Totenbuch aus dem 17. Jahrhundert – Städtischer Friedhof für Bürger und Gotteshausleute

Totenbuch aus dem 17. Jahrhundert – Städtischer Friedhof für Bürger und Gotteshausleute
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Totenbuch: StadtASG, KiA, Bd. II, 3, 1.

Das vorliegende Totenbuch ist das älteste Sterberegister der Stadt St. Gallen; es geht auf das Jahr 1576 zurück. Sterberegister geben uns einen Eindruck davon, wie viele Menschen in einem Jahr starben und – sofern das Sterbealter vermerkt ist – wie alt Menschen früher wurden. In diesem Buch sind nämlich Tag für Tag die Verstorbenen mit ihren Namen eingetragen; zudem sind sie nach Altersgruppen klassifiziert. Gewöhnlich starben in den Jahren zwischen 1576 und 1609 jährlich rund 150 bis 250 Personen. Die Kindersterblichkeit war im Vergleich zu heute sehr viel höher; sie lag in vielen Jahren bei mehr als 50 Prozent. (Zum Vergleich: Heute liegt die Kindersterblichkeit in der Schweiz bei ca. 0,4 Prozent.)

Die Anzahl Todesfälle explodierte in Pestjahren bisweilen um das Zehnfache. Pestzüge erreichten St. Gallen in den Jahren 1349, 1441, 1443, 1474, 1517/19, 1526, 1530/31, 1541/42, 1564/66, 1574/75, 1585, 1594/95, 1611, 1629 und 1635. Die Pest wütete im Sommer am stärksten, denn die seuchenverbreitenden Flöhe benötigten eine relativ hohe Luftfeuchtigkeit und eine dementsprechende Lufttemperatur. In den Totenbüchern sind die Pestjahre auf den ersten Blick erkennbar: Insgesamt starben im Pestjahr von 1629 mehr als 1’400 Personen. Darunter waren 98 Männer, 160 Knaben, 163 Ehefrauen, 81 Witwen, 247 Töchter und Dienstmägde und 671 Kinder. Dies entsprach ungefähr einem Viertel bis einem Drittel der Stadtbevölkerung.

Viele der Verstorbenen, welche in den Totenbüchern verzeichnet sind, dürften im Bereich zwischen Stadthaus, St. Laurenzenkirche und Stiftsbezirk begraben sein. In diesem Gebiet befand sich der älteste Stadtfriedhof.

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