Vadianische Sammlung
Die Vadianische Sammlung gehört zum historischen Erbe der Ortsbürgergemeinde. Ihr Kernstück bilden die Bibliothek und der handschriftliche Nachlass des St.Galler Humanisten, Reformators, Bürgermeisters und Chronisten Joachim von Watt, genannt Vadian.
Sie enthält
- 100 mittelalterliche Handschriften mit Texten und Bildern aus allen Sachgebieten
- 700 neuzeitliche Handschriften mit mehrheitlich historischen Inhalten
- 60 Gelehrtennachlässe und persönliche Sammlungen von St.Gallern
- Autographensammlung Robert Alther mit rund 16’000 handgeschriebenen Dokumenten
- 225 Inkunabeln (Drucke vor 1500)
- 7000 Drucke der frühen Neuzeit
- 100 Porträts von bedeutenden St.Gallern (Bürgermeistern, Dekanen u.a.)
- 3000 historische Stadtansichten von St.Gallen (Drucke und Fotos)
Die Vadianische Sammlung ist Eigentum der Ortsbürgergemeinde St. Gallen und wird als Dauerdepositum in der Kantonsbibliothek aufbewahrt.
Von Vadians Studienbibliothek…
Am Anfang steht Joachim von Watt (1483/4-1551), Vadian genannt, der vielseitige Humanist, Arzt, Reformator und langjähriger Bürgermeister der Stadt St. Gallen. Bereits von Krankheit gezeichnet, ruft er im Januar 1551 die Spitzen der Regierung und der Pfarrschaft zusammen, um sein politisches und persönliches Vermächtnis abzulegen. Dabei übergibt er «ain thuren und werden Schatz von Buchern (…) dann die Herren die Predicanten und Schuolherren daruber gon, die leβen und darinn studieren mögenn», wie er wenige Tage später in seinem Testament festlegt. Vadians Testament wird heute im Stadtarchiv der Ortsbürgergemeinde aufbewahrt (Altes Archiv, Tr. 22, 11) Auch zur Pflege der Bücher, die zweimal jährlich kontrolliert, abgestaubt und gelüftet werden müssen, äussert er sich dezidiert. Gleichzeitig mahnt er die Stadtoberen, dass sollten sie seinen Willen missachten und gegen die Auflagen verstossen, die gesamte Bibliothek in den Besitz seines Schwiegersohns oder dessen Nachkommen übergehen würde. Zwei Monate später stirbt Vadian. Seine Bücher gehören nun wie geplant der Stadt. Stolz spricht man von der «Libry der Statt Sannt Gallen». Aber statt eine aktiv genutzten reformatorische Studienbibliothek zu werden, verkümmerte der Bestand zusehends zu einem brachliegenden Denkmal seines Stifters.
… zur Bürgerbibliothek
Denn erst eine Folgegeneration von Gelehrten und bibliophilen Kaufleuten zu Beginn des 17. Jahrhunderts erblicken im kulturellen Gedächtnis ihrer Heimatstadt einen Schatz, den es zu bewahren und zu äufnen gilt. Geld und Geist vereinigen sich zu einem idealen Paar. Die Begeisterung für mittelalterliche Handschriften, insbesondere für die mittelhochdeutsche und lateinische Überlieferung der Heimatstadt, tun ihr Weiteres. Bedeutende Sammler und Gelehrte wie Bartholomäus Schobinger (1566-1604), Jakob Studer (1574-1622) und Sebastian Schobinger (1579-1652) bauen den Bestand kontinuierlich aus. Besonders Studer versteht es mit sehr viel Geschick und Organisationstalent, die «Libry»in eine breit abgestützte Bürgerbibliothek umzugestalten.
Neben der Versorgung der Bevölkerung mit aktueller Literatur zu allen Wissensgebieten, werden nun auch mittelalterliche Handschriften, die Briefsammlungen Vadians und des Konstanzer Brüderpaars Blarer sowie kostbare Inkunablen gesammelt. In den folgenden Jahrhunderten wird es allgemein üblich, dass erfolgreiche St. Galler Familien der Bibliothek bedeutende Werke schenken. Ihre Grosszügigkeit und Spendierfreude wird, für alle einsehbar, in einem grossformatigen Donatorenbuch verewigt. Sind es mehrere Werke, wird der Eintrag mit einem ganzseitigen Familienwappen ergänzt.
Die Vadianische Sammlung heute
Heute beinhaltet die Vadianische Sammlung rund 100 mittelalterliche Handschriften aus allen Teilen Europas, 230 Inkunabeln, über 500 neuzeitliche Handschriften, eine grosse Autographensammlung, Nachlässe von St. Galler Persönlichkeiten sowie Bilddokumente aller Art aus Alt St. Gallen. Überregionale Bedeutung haben die illuminierten Handschriften aus dem Spätmittelalter, darunter die prachtvolle Weltchronik des Rudolf von Ems, humanistische und alchemische Manuskripte, die bereits erwähnten Briefsammlungen des 16. Jahrhunderts sowie Wiegendrucke aus Italien. Die Sammlung gehört der Ortsbürgergemeinde St. Gallen und wird als Dauerdepositum in der Kantonsbibliothek aufbewahrt.
Mit dem Schwerpunkt Mittelalter und Frühe Neuzeit ergänzt die Vadianische Sammlung die Bestände des Stadtarchivs in idealer Weise. Anders als Archivalien, die Zeugnisse der Verwaltungstätigkeit der Stadtbehörden sind und nur im Kontext verstanden werden können, haben Handschriften und Inkunabeln einen anderen Charakter. Jeder Text ist einzigartig in der Ausführung, meistens aber in ähnlichen Versionen in mehreren Bibliotheken vorhanden. Neben der korrekten Überlieferung, die durch das Vergleichen der Texte erarbeitet werden, ist hier vor allem der Gebrauch im Verlauf der Zeit von Interesse. Handschriften erfordern deshalb zuweilen ein detektivisches Talent und den ganzen Einfallsreichtum bei der Katalogisierung. Warum das so ist, hängt mit ihrem einzigartigen Charakter zusammen.
Highlights aus der Vadianischen Sammlung
Wir laden Sie ein, prominente Handschriften und Drucke aus der Vadianischen Sammlung selbst zu erforschen. Lesen Sie die Infotexte, betrachten Sie die Dokumente und zoomen Sie in sie hinein, um einen detaillierten Blick zu erhalten.