Gemeinderatsprotokoll: Automobil-Wettfahrt Paris – Wien

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Einleitung
Gemeinderatsprotokoll: Automobil-Wettfahrt Paris – Wien
StadtASG, 1/1/0058, S. 101-102.

Im Juni 1902 befasste sich der Gemeinderat der Stadt St.Gallen mit einer «Automobilvergnügungsfahrt», welche von Paris nach Wien mit «Dampfwagen» führen sollte. St.Gallen hoffte auf eine Durchfahrt und damit auf eine Touristenattraktion. Zur grossen Enttäuschung nahm aber die «Automobilvergnügungsfahrt» ihren Weg nicht über St.Gallen.


Entschädigung dafür bot ein Automobil-Wettrennen zwischen Paris und Wien, bei welchem etwa 133 Fahrzeuge teilnehmen wollten. Die erste Etappe führte von Paris nach Belfort (408 km), die zweite von Belfort nach Bregenz (312 km), die dritte von Bregenz nach Salzburg (337 km) und die vierte Etappe von Salzburg nach Wien (335 km). Bereits die erste Etappe forderte mehrere Unfälle: Schon 17 Kilometer nach Paris stiess ein Fahrer in eine Barriere, ein weiterer fuhr, nachdem die Reifen geplatzt waren, in einen Graben, ein dritter Fahrer überfuhr gleich zwei Personen auf einmal, der vierte Fahrer starb bei einem waghalsigen Überholmanöver. Zudem gaben weitere Fahrer das Rennen schon während der ersten Etappe auf.


Beachte die Gross- und Kleinschreibung. Belasse Abkürzungen abgekürzt.


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Die Transkription lautet:
Die angemeldete Automobilvergnügungsfahrt (No. 3203)
hat ihren Weg nicht über St. Gallen genommen; dagegen
werden zirka 133 Automobilfahrzeuge, welche an einem
Wettrennen zwischen Paris und Wien teilnehmen,
morgen den 27. d. M. St. Gallen passieren. Das Fahren ist
in umfassender Weise geordnet worden in einer Be-
sprechung der Polizeidirektion mit zwei Delegierten
des schweizerischen Automobile-Clubs.
Erörterung:
St.Gallen erwartete die Durchfahrt der Automobilisten am 27. Juni 1902. Zur Vorbereitung traf sich die Polizeidirektion mit zwei Delegierten des schweizerischen Automobile-Clubs. Die Wettfahrer überquerten am frühen Morgen die Schweizer Grenze und fuhren von Basel kommend über Baden, Zürich, Winterthur und St.Gallen nach St. Margrethen, wo sie erneut die Landesgrenze passierten.
Das St.Galler Tagblatt schrieb: «Fuhrwerke aller Art sowie Reiter und Radfahrer dürften gut tun, während des ganzen Freitagnachmittags [...] die Strasse, welche von den Renn-Automobilen befahren wird, so viel als möglich zu meiden; das liegt entschieden im Interesse der betreffenden Fuhrleute selbst, in demjenigen der Automobilisten und in demjenigen der öffentlichen Sicherheit überhaupt.»

Erklärungen
d. M. = des Monats
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Die Transkription lautet:
Die Vehikel, welche
morgens früh 4 Uhr von Belfort abgelassen werden,
passieren die Schweiz im Promenadentempo, d. h. 30 km
Geschwindigkeit auf offenem Felde und 12 km in den
Ortschaften. In St. Gallen werden sie bald nach Mittag
eintreffen, und es ist ihnen folgende Route vorgeschrie-
ben, welche durch Polizeimänner mit blauer Armbinde
als Erkennungszeichen überwacht wird. Rosenbergstraße
bis zur Reitbahn, St. Leonhardstraße bis zum Broderbrunnen,
sodann Oberer-Graben und Unterer-Graben, Tor- und Ror-
schacherstraße. Das Publikum wird durch geeignete Publi-
kationen gewarnt und orientiert.
Erörterung:
Die Wettfahrer waren verpflichtet, die Schweiz im Promenadentempo, also bei 30 km/h auf offenem Felde sowie bei 12 km/h innerhalb von Dörfern und Städten, zu durchqueren, in Österreich hingegen galt keine Geschwindigkeitsbeschränkung. Polizisten mit blauer Armbinde (dieses Abzeichen wurde für die ganze Rennstrecke Paris – Wien vereinbart) hatten nicht nur die Aufgabe, die Automobile auf die vorgeschriebene Fahrtrichtung zu verweisen, sondern auch die Fahrbahn freizuhalten.

Der erste Fahrer fuhr um ca. 13.30 Uhr in der Stadt ein; sein Vorsprung nützte ihm jedoch wenig, er wurde – weil er die Strecke Wil – St.Gallen in zu hohem Tempo und zu kurzer Zeit passiert hatte – zu fast 45 Minuten Zwangspause verdonnert, ehe er die Fahrt fortsetzen durfte. Zwischen ihm und den «Nachzüglern» der Wettfahrt bestanden beträchtliche Unterschiede: Um 20.30 Uhr wurde die Kontrollstelle aufgehoben, zu jenem Zeitpunkt hatten aber erst 93 Fahrzeuge die Stadt hinter sich gelassen. Einige passierten St.Gallen noch spät in der Nacht und zum Teil ohne ausreichende Beleuchtung. Die letzten Fahrer fuhren noch gegen 6 Uhr des folgenden Tages durch St.Gallen.

Zahlreiche St.Gallerinnen und St.Galler nutzten deshalb die Möglichkeit, mit dem Nachtschnellzug, der die Stadt nach Mitternacht durchquerte, nach Bregenz zu fahren, um dort die Automobile nochmals zu sehen.
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