Privaturkunde: Verkauf eines Ackers
Die auf den 20. März 1324 datierte, kleine Urkunde hält den Verkauf eines Ackers im Grund in Rebstein im St.Galler Rheintal fest. Verkäufer war Göswin von Rebstein, Käufer ein Jakob der Has. Wer war dieser Göswin von Rebstein?
In vier Urkunden aus dem Zeitraum von 1303 bis 1324 wird er erwähnt, in zwei davon als Amtsträger des Klosters und als Angehöriger des Niederadels: 1303 verkaufte er als « ministerialis» im Auftrag des Klosters St.Gallen einen Eigenmann, in einer Urkunde von 1312 wird er als «dienstman» des Klosters bezeichnet, und 1321 und 1324 tritt er selber als Schenker bzw. Verkäufer in Erscheinung. Als Ministerialer oder Dienstmann des Klosters gehörte er dem gewöhnlichen Ritteradel an.
Die Forschung unterscheidet zwischen drei Adelskategorien: den Grafen, den Hochfreien (Nobiles, Edelfreie, Freiherren) und dem gewöhnlichen Ritteradel. Die unterste, umfangreichste Adels-kategorie entstand im Hof-, Verwaltungs- oder Kriegsdienst der grossen weltlichen und geistlichen Herrschaften; Göswin von Rebsteins Funktion für das bedeutende Benediktinerkloster St.Gallen ist lediglich im Bereich der Verwaltung nachzuweisen.
Beachte Nasalstriche und er-Kürzungen.
Alle die, die disen brief lesent oder hoerint lesen, dien tuon ich Goeswi
von Rebsten kunt und virgihe offenlich an disem brief, daz ich reht
und redelich han verkouft Jacob dem Hasen a dem Hardelin umbe vier und
drisic schilling Konstenzer ain halbe juokart achars, diu da lit im dem
Grunt under dem alten wingarten des spitals von sancte Gallen, und habe
dem selben Jacob den acher geluhen ze aim rehten lehen im und allen
sinen recten erben, si sient wip oder man, und also dich der selbe aker
ledic wirt, also dich so sol man den aker emphan mit zwain huenrin.
Im Falle des vorliegenden Verkaufs scheint Göswin von Rebstein nicht als Vertreter des Klosters, sondern in eigener Sache gehandelt zu haben. Er verkaufte den Acker gegen eine einmalige Zahlung von 34 Schillingen Konstanzer Währung und nahm darüber hinaus auch die Verleihung an den Käufer vor. Von einer jährlich wiederkehrenden Abgabe an ihn, von Natural- und/oder Geldzinsen beispielsweise, ist nicht die Rede. Hingegen waren bei Handänderungen, bedingt durch Weiterverkauf oder Vererbung, Göswin jeweils zwei Hühner zu entrichten. Diese – modern ausgedrückt – «Handänderungssteuer» wurde Erschatz genannt und musste der Herrschaft als Eigentümerin der verliehenen Güter bezahlt werden.
Erklärungen
hoerint lesen = hören lesen
virgihe = sage aus, bekenne
verkouft = verkauft
umbe = für
achar = Acker
spital = Heiliggeist-Spital St.Gallen
geluhen = geliehen, verliehen
recten = rechtmässigen
wip = Frau
man = Mann
also dich = so oft
emphan = empfangen
huenrin = Hühner
Und daz dise rede und getat ganz si und staete bilib, dez gib ich dem
vorgenanten Jacob disen brief mit mime insigel gesigilt ze aim rehten
urkunde und ze air festenung. Diz beschach am Hardilin in des alten
spitals wingart von sancte Gallen, an dem zinstac vor unsir wrouwen dult
in dem arende, do man von gottes geburt zalt drizehen hundert jar
und in dem vier und zawaigesten jar.
Im Vergleich mit einer Königs- oder Kaiserurkunde – siehe dazu die Umgeld-Urkunde von 1334 – wirkt diese Privaturkunde unbeholfen. Königs- und Kaiserurkunden zeichnen sich aus durch die gleichmässige Schrift eines professionellen Schreibers der Kanzlei am Hof. Die Schrift dieser Verkaufsurkunde wirkt dagegen ungeübt, und es sind Korrekturen erkennbar. Die äusseren Merkmale dürfen jedoch nicht dazu verleiten, die eine Urkunde als wichtiger oder wertvoller zu betrachten als die andere. Gerade die Zunahme der in Archiven überlieferten, äusserlich unspektakulären Privaturkunden und deren Edition ermöglichen der Geschichtsforschung Aussagen zum Leben der breiten Bevölkerung.
Erklärungen
staete = beständig, ewig
brief = Urkunde
festenung = Bestätigung
wingart = Weingarten
zinstac = Dienstag
dult = Festtag
unsir wrouwen dult in dem arende = 25. März