Buch und Tuch: Der Kaufmann Hans Liner fördert die Reformation

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Einleitung
Buch und Tuch: Der Kaufmann Hans Liner fördert die Reformation
Vadianische Sammlung der Ortsbürgergemeinde St.Gallen, Eb 221.

Diese Widmung steht vorne im Buch „Institutio Christianae Religionis“ (Grundlagen oder Unterricht der christlichen Religion) von Jean Calvin in der Ausgabe von 1559. Verfasst wurde die Widmung von Johannes Kessler, der das Buch 1566 als Geschenk für die städtische Bibliothek entgegennahm. Johannes Kessler war selbst ein engagierter Förderer der Reformation in St. Gallen und kümmerte sich zusammen mit seinem Sohn um die städtische Büchersammlung. Diese Bibliothek war nach Vadians Tod 1551 entstanden. Vadian hatte alle seine Bücher der Stadt vermacht. Wohlhabende Bürger wie Hans Liner ergänzten sie über Jahrhunderte mit Schenkungen. Heute ist diese Bürgerbibliothek in der Vadianischen Sammlung der Ortsbürgergemeinde St. Gallen aufbewahrt.
Die Institutio ist ein Grundlagenwerk der protestantischen Theologie und das Hauptwerk des Genfer Reformators Jean Calvin. Hans Liner war von diesem Buch begeistert, genauso wie von Calvin selbst. In einer anderen französischsprachigen Ausgabe der Institutio von 1567 notierte Liner, dass er das Buch in Genf gekauft habe und fügt an: „Nach der hailgen Bibell Alt und New Testement halt ich als ain klainfüger Lay diss Buch für das höchst und beste Puch, so von den gelerrtesten Gots furchtigesten Vätter Prediger ist beschriben und uss gangen (…), Hannss Liner.“ Als Laie halte er das Buch von Calvin nach der Bibel für das beste Buch, das je von Predigern geschrieben worden war. Hans Liner war mit der Theologie von Calvin sehr vertraut und argumentierte auch häufig im Sinn des Calvinismus. Er sah Gott eher als strengen Rächer von Sünden und weniger als liebevollen Vater an. Auch Calvins Arbeitsmoral kam dem erfolgreichen und tüchtigen St. Galler Kaufmann sehr entgegen.


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Übung
Buch und Tuch: Der Kaufmann Hans Liner fördert die Reformation
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Resultat
Buch und Tuch: Der Kaufmann Hans Liner fördert die Reformation
Die Transkription lautet:
Dises Buch, ain sonnderbar Klainot
unnd Schatz christenlicher Leer, hatt der
fürnem Hanns Liner, Burger zu Sant-
Gallen, dem allmechtigen Gott zu Lob,
dem hochgelerten Herren Joanni Calvi-
no, den er im Herren Christo hertzlich ge-
liebt, zu Eeren unnd der Kyrchen alhie
zu Unnderwysung unnd Nutz in dise
Bibliothek vergaabet. Der Herr Gott, ain
Beloner, deren die in suchend, welle in bi
dem Yfer sines Worts in diser Zit be-
stenndig unnd in der künfftigen Glori
umb sines Sons Willenn mitt ewiger
Herrlichkait begnaden. Amen.
1566
JSK
Erörterung:
Dieses Buch, ein besonderer Schmuck und Schatz der christlichen Lehre, hat der vornehme Hans Liner, Bürger von St.Gallen, dem allmächtigen Gott zu Lob und dem hochgelehrten Herrn Jean Calvin, den er im Namen des Herrn Christus herzlich verehrt hat, zu Ehren und der Kirche hier in St.Gallen zur Lehre und zum Nutzen dieser Bibliothek übergeben. Der Herrgott, der diejenigen belohnt, die ihn suchen, möge ihm für den Eifer seiner Worte in dieser Zeit beständig und auch in zukünftigem Ruhm wegen seines Sohns (Jesus Christus) mit ewiger Herrlichkeit begnadigen. Amen.
1566
Johannes Kessler [JSK]

Geboren in Konstanz, erwarb der Leinwandhändler Hans Liner (1524-1591) Mitte des 16. Jahrhunderts das St. Galler Bürgerrecht. Er hielt sich häufig in Lyon auf. Die französische Stadt war damals quasi eine St. Galler Kolonie, denn viele St. Gallische Handelsgesellschaften hatten dort Filialen und Fachleute vor Ort, die sich um den europaweiten Handel mit St. Galler Leinwand und anderen Waren kümmerten. Die dortige protestantische Gemeinde hatte regen Zulauf. Die Protestanten mussten sich jedoch vor der katholisch gesinnten Obrigkeit in Acht nehmen, die ihnen die öffentliche Predigt untersagt hatte. Hans Liner lebte teilweise in Lyon und hatte dort eine angesehene Stellung inne. 1552 wurden fünf Theologiestudenten von der bernischen Akademie in Lyon aufgrund ihres Glaubens ins erzbischöfliche Gefängnis gesperrt, obwohl sie gar nicht gegen das Predigtverbot verstossen hatten. Hans Liner nahm sich auf Anfrage des Berner Rates der Studenten an, übermittelte deren Briefe, sammelte Geld für sie und versuchte sogar, deren Freilassung beim französischen König zu erwirken – leider erfolglos. Die fünf jungen Männer wurden nach einem Jahr im Gefängnis zum Tod verurteilt. Der Genfer Reformator Jean Calvin dankte Liner persönlich mit einem Brief für seinen Einsatz für seine Anhänger.
Hans Liner war ein engagierter Verfechter der reformierten Lehre und Anhänger Calvins. Der umtriebige Kaufmann versorgte Gelehrte in seiner Heimat, wie Johannes Kessler oder David Wetter, nicht nur mit Schriften von Jean Calvin, sondern auch mit Schriften des Zürcher Reformators Heinrich Bullinger, dem Nachfolger von Ulrich Zwingli. Mit Bullinger korrespondierte Hans Liner häufig. Zur Verbreitung des reformierten Glaubens scheute er auch illegale Wege nicht: In Fässer verpackt schickte er Leinwand nach Polen und versteckte reformatorische Traktate im Boden der Fässer, um sie so an den Zensurbehörden vorbei zu schmuggeln und die Schriften auch in katholischen Ländern verbreiten zu können. Hans Liner interessierte sich sehr für reformatorische Texte. Die "Institutio Christianae Religionis" konnte er nicht im Original lesen, denn er hatte nie Latein gelernt. Dies war für einen Kaufmann auch nicht nötig. Unerlässlich für die Handelsgeschäfte war Französisch, das Hans Liner fliessend beherrschte. Auch in anderer Hinsicht war Hans Liner ein Kaufmann durch und durch: Er hatte keine Hemmungen, mit dem katholischen Frankreich oder dem katholischen St. Galler Kloster Geschäfte zu machen. So entschuldigt er sich in einem Brief, dass er kaum Zeit habe, um eine Antwort zu verfassen, "dan ich allen disen Morgen im Closter zu schaffen hab." Obwohl in religiöser Hinsicht ganz unterschiedlicher Meinung, dürften viele St. Galler Kaufleute wie Hans Liner mit Anhängern der katholischen Seite Handelsgeschäfte abgeschlossen haben.
Hans Liners wirtschaftlicher Erfolg als Kaufmann passt zu der von Calvin geförderten Arbeitsmoral. Der Reformator in Genf lehrte die doppelte Prädestination. Nach calvinistischer Lehre hat Gott für jeden Menschen bereits festgelegt, ob er von ihm erlöst werde oder nicht. Diese Vorherbestimmung bleibt dem Menschen verborgen; er kann sie nicht durch Werke oder ein bestimmtes Verhalten beeinflussen. Allerdings animierte Calvin alle Menschen, sich möglichst tugendhaft zu verhalten und so zu handeln, als ob sie von Gott auserwählt seien. Wirtschaftlicher Erfolg kann deshalb als ein Zeichen dafür interpretiert werden, dass man von Gott auserwählt wurde.
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